Die Rechtshilfe Tübingen unterstützt die Forderungen der inhaftierten Arbeiter in Butzbach: Gewerkschaftsfreiheit, Mindestlohn, Rentenversicherung und ein Ende der Arbeitspflicht Gefängnisse in Deutschland sind Sonderwirtschaftszonen: Stundenlöhne unterhalb von 2 Euro, fehlende Sozial- abgaben und keine Gewerkschaften, staatliche Subventionen und besonders flexibel einsetzbare Arbeitskraft, denn für Gefangene gilt in Hessen wie in elf anderen Bundesländern die Arbeitspflicht. Gefangene der JVA Butzbach (Hessen) wehren sich nun gegen diese Arbeitsbedingungen und drohen – mangels Streikrecht – ab dem 1.12.2015 in den Hungerstreik zu treten. Diese Ausbeutung von Gefangenen einerseits, ist profitables Wirtschaften andererseits: In der JVA Butzbach produziert der Staat beispielsweise gewinnbringend Klettergerüste für Spielplätze und hoch- wertiges Büromobiliar. Es ist aber nicht nur der Staat, der qualitativ Hochwertiges für den Handel und den Eigen- bedarf produzieren lässt. Auch regionale Unternehmen, die Auto- und Elektroindustrie lassen sich diese Möglichkeit des Lohn- und Sozialdumpings nicht entgehen. Die JVA Butzbach äußert in ihrer Selbstdarstellung unverblümt: „Die Justizvollzugsanstalten stellen Räumlichkeiten und Gefangenenarbeitskräfte (…) zur Verfügung.“ Dabei bewirbt die JVA Butzbach auch die Qualität ihrer Produktion: Sie bieten „die Durchführung von branchenüblicher und maschineller Metallverarbeitung in solider handelsüblicher Ausführung“. Eine handelsübliche Metallverarbeitung muss aber auch Tariflöhne und Sozialabgaben beinhalten! Doch hier wird bei weitem nicht einmal der Minimalstandard des Mindestlohns gehalten. Statt Rentenansprüche und damit eine Perspektive nach der Haft für arbeitende Inhaftierte zu ermöglichen, hält die hessische Justiz eine flexible Reservearmee in Ergänzung zu den Lohnarbeitenden in Fest- und Leiharbeit außerhalb der Gefängnisse bereit. Die Arbeitspflicht für Gefangene gehört abgeschafft und ersetzt durch menschenwürdige Arbeitsverhältnisse – auch und gerade hinter Gittern, wo sich der Staat einen Resozialisierungsauftrag auf die Fahnen geschrieben hat. „Resozialisiert“ wird hier – durch Löhne knapp über dem Nullpunkt und keinerlei Möglichkeit Rentenansprüche zu erarbeiten – vor allem in Schulden und Altersarmut. Art. 9 Absatz 3 des Grundgesetzes und Art. 11 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgen das Recht für jedermann, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen. Derzeit bleibt als einzige Arbeitskampfmaßnahme im Knast der Hungerstreik, um von der Arbeitspflicht vorübergehend „befreit“ zu werden. Gewerkschaftsinitiativen werden mit Sanktionsmaßnahmen wie täglich 23-stündigem Einschluss (Isolation), Weiterverlegungen (Verhinderung sozialer Kontakte) und wiederholten Zellen- durchsuchungen (Schikane, Einschüchterung) geahndet. Gewerkschaftsmaterialien werden zensiert und Beitritte behindert. Diese Strafvollzugspraxis ist nicht nur verfassungs- und menschenrechtswidrig, sondern auch politisch nicht legitimierbar. Daher unterstützen wir den Kampf der gefangenen Arbeiter der JVA Butzbach um ungeteilte soziale Mindeststandards und fordern:
Gewerkschaftsfreiheit für gefangene Beschäftigte
- Anerkennung der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte von gefangenen Arbeiter_innen
- Anerkennung der Gefangenengewerkschaft/ Bundesweite
Organisation (GG/BO) als Gewerkschaft - Einstellungen der Sanktionen gegenüber gewerkschaftlichen Aktivitäten und Gewerkschaftsmitgliedern – innerhalb und außerhalb der Gefängnisse
- Mindestlohn für gefangene Beschäftigte und ALG II-Satz für unverschuldet unbeschäftigte Gefangene
- Gleichwertige Einbeziehung in die Sozialsysteme, insbesondere die Rentenversicherung
- Ein Ende der Arbeitspflicht im Justizvollzug